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Kartograph des Monats: Claudius Ptolemaeus

Ptolemäus war ein Mathematiker, Geograph, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph. Er lebte und wirkte wahrscheinlich in Alexandria (Ägypten). * um 100; † um 180

Seine bedeutenden Forschungsergebnisse bereichern die Wissenschaft bis in die frühe Neuzeit nachhaltig.

Zu den wichtigsten astronomischen Büchern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit zählt Ptolemäus' (griech. Klaúdios Ptolemaíos, lat. Claudius Ptolomaeus) „Mathematike Syntaxis“, welches erstmals im Jahr 1496 in Venedig veröffentlicht wird. Die darin vertretene Lehre vom geozentrischen Weltbild wird erst im 16. Jahrhundert durch Kopernikus‘ Idee des heliozentrischen Weltbildes abgelöst, bei dem die Sonne, und nicht die Erde im Zentrum des Kosmos steht.

Ptolemäus' zweites Hauptwerk ist „Geographike Hyphegesis“ (=Handbuch der Geographie), das kurz nach 150 n. Chr. wohl in der antiken Kulturmetropole Alexandria verfasst wurde. Es gilt als eines der bedeutendsten wissenschaftlichen Werke der antiken Literatur. In seinen 8 Büchern schafft der Gelehrte eine Anleitung zur Kartographie mit dem Anspruch einer zeichnerischen Darstellung der gesamten seinerzeit bekannten Erdoberfläche. Ptolemäus orientiert sich dabei an Marinus von Tyrus, der in seinem heute nicht mehr erhaltenen Werk ein umfassendes Ortsverzeichnis als sogenannte Plattkarten projiziert hat, das er auf die Basis eines rechtwinkeligen Koordinatensystems stellt. Ptolemäus beschreibt in seinem Werk im ersten Buch ein alternatives, die Wölbung der Meridiane und der Breitenkreise berücksichtigendes Projektionsverfahren. In den weiteren der 8 Bücher stellt Ptolemäus 8.000 seinerzeit bekannte Orte der Erde in einer Koordinatenliste dar. Schaut man sich die danach gezeichneten Karten an, ist es überraschend zu sehen, wie viel von der Gestalt der Erdoberfläche in dieser Zeit bereits bekannt war, mehr als 1000 Jahre vor dem Zeitalter der Entdeckungen, und wie präzise die angegebenen Koordinaten teilweise waren.

Das in griechischer Sprache verfasste Werk, welches das ganze Früh- und Hochmittelalter hindurch weitgehend verschollen war, erlebte um 1300 in Byzanz eine Renaissance, die sich in mehreren prachtvollen, mit farbigen Karten ausgestatteten Pergamenthandschriften manifestiert. Um etwa 1400 kamen die ersten Ptolemäus-Atlanten in den Westen, wo sie sogleich größtes Aufsehen erregten und im Ablösungsprozess vom mittelalterlichen zum frühneuzeitlichen Weltbild eine entscheidende Rolle spielten. Das Werk wurde um 1406 ins Lateinische übersetzt und fand unter dem Titel Cosmographia große Verbreitung. Kaum war die Buchdruckerkunst erfunden, wurden mehrere Editionen der ptolemäischen Cosmographia veröffentlicht. Die ersten 3 Ausgaben erschienen 1475 in Vicenza, allerdings noch ohne Karten, 1477 in Bologna und 1478 in Rom (mit Kupferstich-Landkarten).
Erst mit den Forschungen und Veröffentlichungen der Niederländer Ortelius und Mercator werden die kartographischen Theorien von Ptolemäus allmählich abgelöst. Trotzdem werden noch bis weit ins 17. Jahrhundert Landkarten gedruckt, die auf seinen Aufzeichnungen basieren.

Die Ptolemäus-Ausgabe von 1478

[Cosmographia. Rom: Arnoldus Buckinck, Nachfolger von Conrad Sweynheym, 10. Oktober 1478]

Es ist die dritte Ausgabe des Werks und die zweite mit Landkarten. Wir präsentieren daraus 18 Inkunabelkarten in schönem Altkolorit. Die Karten gehören zu den frühesten Kupferstichen die je gedruckt wurden.

Die Erstausgabe war 1475 noch ohne Illustrationen in Vicenza erschienen, die zweite Ausgabe wurde 1477 in Bologna veröffentlicht. 1490 (bei Petrus de Turre) und 1507 (bei Bernhardinus de Vitalibus) erschienen in Rom weitere Ausgaben, die mit den selben Platten gedruckt wurden wie die Ausgabe von 1478.

Es ist nachgewiesen, daß Columbus ein Exemplar der 1478er Ausgabe besaß, an dem er sich unter anderem für seine bevorstehenden Fahrten orientierte. Die Karten von Ptolemäus festigten Columbus’ Glauben, daß die schnellste Route von Europa nach Indien westwärts durch den Atlantik gehe, was bekanntermaßen zur Entdeckung von Amerika führte.

Die römische Ausgabe des Ptolemäus ist in dreifacher Hinsicht eine absolute Rarität. Sie ist ein bedeutendes Werk des frühen Buchdrucks, der frühen gedruckten Kartographie und des frühen Kupferstichs.

Schon die Entstehungsgeschichte der vorliegenden Ausgabe ist hoch faszinierend. Sie beginnt mit Conrad Sweynheym, von dem man annimmt, daß er als Mitarbeiter von Gutenberg bei den ersten Buchdrucken anwesend war.

Als Mainz 1462 überfallen wurde, floh Sweynheym 1462 nach Italien, zunächst in das Benediktinerkloster von Subiaco. Zusammen mit einem anderen deutschen Flüchtling, Arnold Pannartz, führte Sweynheym 1464-65 die erste Druckerpresse in Italien ein. Ab 1467 druckten beide in Rom mehr als 50 Werke.
Ab 1474 arbeiteten die Deutschen an der ersten gedruckten und illustrierten Ausgabe von Ptolemäus’ “Cosmographia”, einem Werk, dessen Wiederentdeckung eines der größten Sensationen der Renaissance war.

Es ist überliefert, daß Sweynheym seine Mitarbeiter persönlich in der noch jungen Technik des Kupferstichs unterwiesen hat. Als Vorlage für die Produktion der Karten diente das Manuskript eines deutschen Benediktiners aus der Zeit um 1460.

In Bologna hatte inzwischen Taddeo Crivelli damit begonnen ebenfalls an einer illustrierten Ptolemäus-Ausgabe zu arbeiten. Crivelli setzte alles daran, das Rennen um die erste Auflage zu gewinnen und soll dabei auch einen engen Mitarbeiter Sweynheyms abgeworben haben. Sweynheym hingegen arbeitete weiter mit großer Sorgfalt und wurde durch den Pest-Tod seiner Partners Pannartz im Jahre 1476 zurückgeworfen.
Somit triumphierte Crivelli und veröffentlichte die erste illustrierte Ausgabe der Cosmographia und damit zugleich die erste Serie von Kupferstichkarten.

Sweynheym starb 1477, und das Projekt wurde vom aus Köln stammenden Drucker Arnold Buckinck übernommen, der das Werk schließlich am 10. Oktober 1478 veröffentlichte.

Rodney Shirley merkt zur 1478er Ausgabe an, es sei zwar nicht die Erstausgabe, die römischen Kupfertafeln seien jedoch viel präziser und von höherer handwerklicher Qualität als die der 1477er Bologneser Ausgabe. Viele hielten die Stiche der römischen Ausgabe für die schönsten ptolemäischen Abbildungen vor Mercators Weltatlas von 1578.

Raleigh A. Skelton schrieb: “Die bessere Handwerkskunst der gestochenen Karten der Rom-Ausgabe, im Vergleich zu denen der Bologna-Ausgabe ist auffallend und verblüffend. Die Klarheit und Präzision mit der die geographischen Details gezeichnet sind, die geschickte Anordnung der Kartenelemente nach ihrer Wichtigkeit sowie die kunstfertige Benutzung des Stichels beim Bearbeiten der Platten – alle diese Merkmale scheinen auf die Hand eines erfahrenen Meisters hinzuweisen, vielleicht aus Norditalien.“ (Einige Experten vermuten einen leitenden Stecher aus Venedig oder Ferrara.)

Ein weiteres besonderes Merkmal der Karten sind die feinen lateinischen Buchstaben, die für die geographischen Bezeichnungen verwendet wurden. In einem vermutlich einzigartigen Experiment wurden diese Buchstaben nicht mit einem Stichel in die Druckplatte geschnitten sondern mit einer Art Metallstempel gestanzt.
Bemerkenswert ist auch, daß die Karten jeweils auf zwei Blätter gedruckt und später in der Mitte zusammengefügt wurden.

Die qualitätvollen Kupferstiche stellen nicht nur ein kartographisches Meisterwerk dar sondern auch einen Meilenstein ihrer Herstellungstechnik, gehören sie doch zu den frühesten erfolgreichen Tiefdrucken.

Mit der Veröffentlichung der Rom-Ausgabe des Ptolemäus, mußte der frustrierte Konkurrent Crivelli mit ansehen, wie potentielle Kunden seine Ausgabe zugunsten der neuen besseren Ausgabe verschmähten.

Die Künstler, die Sweynheyms Vision verwirklichten, haben somit die wohl wichtigsten und künstlerisch virtuosesten Landkarten des 15. Jahrhunderts hergestellt.

Die hier präsentierten Karten gehören zu den wohl beeindruckendsten und historisch wertvollsten kartographischen Abbildungen der Welt.

Lit.: Shirley, The Mapping of the World, S. 4; Skelton, Claudius Ptolomaeus Cosmographia Rome 1478 (Amsterdam, 1966), S. XIII

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